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22.05.1991

Wolkiger Meerespunsch

Den Tag in mir fuhr ich die Inselstraße, mit dem etwas abgenutzen Treter, an den Sanddünen, welligem Wasser, vorbeiziehenden Wolken, mir entgegenkommenden lapidaren Gesichtern entlang.
Meine Gedanken krochen wie feingliedrige Würmer zu der Masse, ausgesetzt, verelendet, dem Tag und der Nacht nicht bereit zu dienen.
Ich fuhr allein – in mir der Mann, in mir der Schwanz. Es war schön die Gedankengänge mit Glitter zu besprühen. Er ließ mich nicht mehr los, doch der Genuss mit meinen Gedanken allein die Umwelt zu beschauen, erregte meine Sinne.
Ich tat mir gutes an, den Koffer gepackt mit einem Büstenhalter, ein etwas für mich zu großes Höschen, ein paar Socken, ein Stirnband, eine aufgeschlitzte Jeans und einen dicken grün-gelb grob gestrickten Pullover. Auf der Nase trug ich eine Sonnenbrille durch die ich blendend fühlte.
Ich trat in die Pedale, die Füße nackt, nur die Zehennägel rot bepinselt, ein Ring am kleinen Zeh. Ich liebe sie meine Füße, sie sind schön und erotisch.
Der Tag pfiff mir das Lied, ich sang begeistert mit.
Drei Gäns im Haberstroh saßen da und waren froh. Kam der Bauer gegangen mit der langen Stangen- er rief wer do, wer do? Drei Gäns im Haberstroh.
Mein schwarzes Haar wurde durch den schon 14-tägigen Aufenthalt am salzigen Meer förmlich ausgebleicht. Haberstroh, Strohhut. Weit gefehlt, es gab auf der kleinen Insel keine Strohhüte.
Da ich schon den lieben langen Tag radelte und meine Füße stark schmerzten bevorzugte ich nun den Gang zwischen den Dünen zum Meer. Es war einfach herrlich den Wind zu fassen zu spüren, das Schreien der Möwen, ihren Flug zu schauen. Ich schrie in den Wind zurück, riss meine wenigen Kleidungsstücke vom Körper, rannte jauchzend in den welligen Punsch. Salzig schäumendes Nass mit meinem nackten Körper vereint, wie liebte ich Apfelkuchen, das Rezept von Oma, uralt und abgegriffen der Zettel auf den sie es mir aufschrieb. Allerliebste Oma nun denke ich an dich, deinen Apfelkuchen mit Streuseln obendrauf.
Ich stellte mir schwimmenden Apfelkuchen, Neptun mit seiner Zinke und die langhaarigen Nixen vor.
Abrupt wurden meine gedanklichen Bilder durch lautes Rufen aus den Dünen unterbrochen. Mein Gott, er war es, ich sah ihn mit seinen Armen fuchtelnd meinen Namen rufen. Wie ein Blitz schoss es durch meinen Körper. Ich fuhr allein, allein mit mir und meinen Träumen auf diese Insel. In der kleinen Kirche am Meer sitzt du, das Bild, die Vase, die Rose.
Wangerooge 22.05.91